ZOZ & PARTNER GmbH i.L.
Linienlayout: Physikalischer Aufbau einer automatisierten Straße zur pharmazeitisch-chemischen Wirkstoffsuche (Hochdurchsatz-Screening) (Bild: ZOZ)

Vom Geschäftsprozessmodell zum integrierten Prozessleitsystem:

Automatisierte Hitsuche im pharmazeutischen Bereich

Der Bereich der Pharma- und Agroforschung beschäftigt sich in einem Teilgebiet mit dem Auffinden und der Optimierung von neuen Wirksubstanzen. Dies geschieht auch heute noch überwiegend in zeitaufwendiger Handarbeit. Die ständig wachsende Zahl chemischer Verbindungen, die praktisch in unbegrenzter Zahl durch die kombinatorische Chemie kostengünstig hergestellt werden können, und die Identifikation und Produktion immer neuer biologisch relevanter Zielmoleküle (targets) mittels modernster molekularbiologischer Methoden, erfordern maßgeschneiderte biochemische und zelluläre Prüfsysteme, die im sogenannten Hochdurchsatzprüfverfahren (High throughput screening = HTS) eingesetzt werden können. Die Firma, für die unser Unternehmen die hier beschriebene Anwendung erstellt hat, ist das erste Unternehmen in Europa, welches dieses Verfahren bis zur „Fabrikreife" weiterentwickelt hat.

Blick auf die Factory (Bild: ZOZ)
Das Verfahren

Die Wirkstoffsuche (Hitsuche) ähnelt auch heute noch der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Fast blind werden neu entwickelte chemische Substanzen auf ihre Wirkung hin geprüft.

Die enorme Vielzahl von Tests (>100.000 pro Tag), als Resultat aus der Multiplikation (n-fachen Vermischung) der hohen Anzahl bekannter chemischer Prüfsubstanzen mit der stetig wachsenden Zahl von neuen „targets", kann wirtschaftlich nur in hochautomatisierten HTS-Anlagen bewältigt werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat Discovery Technologies Ltd. das Konzept der HTS-Factory entwickelt. Dabei handelt es sich um eine leistungsfähige Anlage, die auf Basis einer industriellen Automation konzipiert wurde.

 

 

Weitere Bilder der Hitsuche-Factory

 

Blick auf den Lagerdispenser (Bild: ZOZ)

Die unterschiedlichen Arbeitsstationen sind an verschiedenen Plätzen eines Transportsystem angeschlossen, wobei dort jeweils ganz spezifische Aufgaben innerhalb eines Prozesses (Prüfverfahrens) durchgeführt werden. So werden zum Beispiel im sogenannten Lagerdispenser die MTP-Stapel (Stapel von Mikrotestplatten) ein- und ausgelagert, an den Pipettoren Substanzen und Reagenzien zugegeben, im Inkubator die MTP-Stapel für eine definierte Zeit bei einer definierten Temperatur inkubiert und an den Auslesegeräten (Readern) die Resultate nach Beendigung eines Prüfverfahrens mittels physikalischer Messmethoden, z.B. Fluoreszenzmessung, erfasst.

Viele der Arbeitsstationen sind nicht fest bzw. dauerhaft installiert, sondern werden erst vor der Abarbeitung eines neuen Auftrags, dem gewünschten Verfahren entsprechend, an der Transportstrecke installiert.

Zentrale IT

Das Herz der Factory-IT ist ein zentraler, hochverfügbarer ORACLE-Datenbankserver. Über diesen werden konsistent alle Prozessdaten, beginnend mit der Auftragsvorbereitung (Standard-Operation-Procedure Festlegung), über die leitsystemgeführte Wirkstoffhitsuche bis Ergebnisdatenübergabe an den Auftraggeber gemanagt. Die Konsistenz der Daten wurde durch enge Zusammenarbeit der IT-Verantwortlichen des Betreibers mit dem Leitsystemlieferanten sichergestellt. Beide operieren konsistent auf der gemeinsamen Datenbasis.

Durchgängiges Management der Geschäftsprozesse von der Auftragseinplanung bis zur Koordination der Prozesse in den technischen Ressourcen. (Bild: ZOZ)
Transport eines Mikrotestplattenstapels (Bild: ZOZ)
Das Transportsystem

Im Zentrum dieser Anlage steht ein vom Prozessleitsystem koordiniertes Transportsystem, das für die Verteilung der Werkstücke (Stapel von Mikrotestplatten = MTP) zu denjenigen Arbeitsstationen sorgt, an denen die MTP-Stapel bearbeitet werden.

Das Leitsystem

Das eigens für die HTS-Factory entwickelte Client-Server Leitsystem koordiniert sämtliche verfahrens- und datenverarbeitungstechnischen Abläufe von der schnellen, kontinuierlichen Bearbeitung der Hitsuchprozesse bis zur Erfassung, Sicherung und Berichterstattung der Resultate.

Das Leitsystem gewährleistet, dass innerhalb der HTS-Factory die oben erwähnten biochemischen und zellulären Prüfverfahren (kritische Kernprozesse) innerhalb kürzester Zeiten automatisch und unter Aufsicht eines einzigen Biochemikers durchgeführt werden können. Darüber hinaus ist das System in der Lage, sämtliche vorbereitenden Schritte wie z.B. das Kopieren von chemischen Substanzen großer Anzahl vollautomatisch im nicht beaufsichtigten Modus durchzuführen. Das objektorientiert modular aufgebaute System erlaubt jederzeit die Integration neuer und die örtliche Veränderung vorhandener Arbeitsstationen, unabhängig von den Aufgaben (pipettieren, inkubieren, read-out etc.), die diese Einheiten zu erfüllen haben.

Verfolgung eines Produktionsprozesses (Bild: ZOZ)
Verfahrensverantwortliche konfigurieren die Anlage und programmieren die Hitsuchprozesse

Eine Besonderheit des Verfahrens zur Wirkstoffsuche liegt darin, dass zunächst die Anlage von den Verfahrensplanern bedarfsgerecht konfiguriert wird. Das heißt, dass neben fix installierten Einrichtungen, wie dem Transportsystem und dem Lager, eine Reihe von Laborgeräten existieren, die an bestimmten Plätzen des Transportsystems dem gewünschten Verfahren entsprechend, angeschlossen bzw. ausgetauscht werden können.

Aus leittechnischer Sicht bedeutet dies, dass vor der flexiblen Erstellung der Prozessabläufe die Konfiguration der Anlage stattfindet. Entsprechend der Konfigurationsdaten stellt nun wiederum das Leitsystem dem Biochemiker eine variable Menge von Funktionen zur Programmierung (Konfiguration) der Hitsuchprozesse zur Verfügung.

Hierzu operiert die Leittechnik mit Funktionseinheiten, die zu ihrer Verwendung eine definierte Menge von Funktionen, sogenannter "Standard Operations" (SO) zur Verfügung stellen. Typische Abfolgen von Standardoperationen können wiederum als sogenannte  "Standard Operation Procedures" (SOP) in Bibliotheken organisiert werden.

Funktionseinheiten (Bild: ZOZ)
Das Produkt der Wirkstoffsuche heißt "Daten"

Mit ein Entscheidungsgrund dafür, ein spezifisches, in die DV integriertes Leitsystem zu bauen, war die Tatsache, dass die Anlage keine Produkte herstellt, sondern Daten bzw. Wissen über die Wechselwirkung einer riesigen Menge unterschiedlicher chemischer Substanzen mit unterschiedlichen Targets sammelt.

Des weiteren werden die chemischen Substanzen in großer Anzahl und kleinsten Mengen auf barcodeträgerbehafteten und gestapelten Mikrotestplatten (MTPs) manipuliert, denen per Augenschein nicht anzusehen ist, welche chemische Substanzen sie beinhalten, oder welche Prozesse sie zuvor durchlaufen haben.

Das gesamte Wissen über die Mikrotestplatten, deren aktueller Standort, die chemischen Substanzen darin, deren Zustände und durchlaufene Prozesse, wird ausschließlich vom Leitsystem gesammelt und in der ORACLE-Datenbank abgelegt.

Jeglicher Verlust von Daten ist gleichbedeutend mit Ausschussproduktion und bedingt, dass der gesamte Wirkstoffsuchprozess noch einmal durchgeführt werden muss.

Zielsetzungsmodell (Bild: ZOZ)
Vom Geschäftsprozessmodell zum integrierten Leitsystem

Zur Bewältigung der komplexen Aufgabenstellung wurde die HTS-Factory zunächst mittels Tools zur Geschäftsprozessmodellierung umfassend beschrieben. Zum Einsatz kamen die Systeme INCOME® und ARIS®

Vor dem Wie stand das Warum

Ausgehend von einer Wertschöpfungsketten-Modellierung, die von einer hohen Zielwirtschaftlichkeit der Anlage die daraus resultierenden Prämissen für die zu entwickelnde Prozessleittechnik beschrieb, standen im  weiteren Verlauf der Modellierung die Funktionen und Prozesse der Factory im Mittelpunkt.

Vom Funktionsbaum zum hierarchischen Prozessmodell

Am Anfang der Beschreibung der Produktionsprozesse stand die Aufnahme der maschinen- und gerätetechnischen Ressourcen und die Erstellung detaillierter Funktionsbäume, was nach mehrfacher Überarbeitung und Verfeinerung ein erstes Mengengerüst der leittechnischen Funktionen  ergab. Auch zeichneten sich hierbei bereits Prozesshierarchien ab, deren Betrachtung auf die spätere Entwicklung des Leitsystems entscheidenden Einfluss hatte.

Technische Ressourcen (Bild: ZOZ)
Funktionsbaum (Bild: ZOZ)
Ereignisgesteuerte Prozesskette (Bild: ZOZ)

Im nächsten Schritt wurden die im Funktionsbaum bereits ermittelten Funktionen (Aktivitäten) in hierarchische ereignisgesteuerte Prozesskettenmodelle (Ablaufpläne) übertragen.

Die zuvor bereits erfolgte saubere Hierarchisierung der Funktionen im Funktionsbaum unterstützte die Prozesskettenbildung dadurch, dass jeder Baumknoten ein Prozesskettenmodell definiert. Die Funktionen darin entsprechen wiederum den Funktionen der nächsten Baumebene.

Diesem Vorgehen folgend, entstanden hierarchische Prozessmodelle, die die Instanzen und Aufgaben der später entwickelten Leitsystemmodule spezifizierten und darüber hinaus deren hierarchisches Zusammenwirken definierten.

 

Parallele und ergänzende Informationsmodellierung:

Parallel und ergänzend zu der Funktions- und Prozessmodellierung wurden auch Informationsmodelle (Entity Relationship Modelle) entwickelt, die in Modellform bereits eine Vorstufe der später implementierten ORACLE Datenbanken, Tabellen und deren Relationen darstellten.

 

Entity Relationship Diagramm (Bild: ZOZ)
Strukturierung der Prozessleitsystem-Softwarekomponenten.

Zur Strukturierung bzw. Modularisierung der Prozessleitsystem-Software dienten auch Anwendungssystemtypdiagramme und Maskendiagramme.

 

Anwendungssystemtypdiagramm (Bild: ZOZ)
Funktionszuordnungsdiagramm (Bild: ZOZ)
Spezifikation von Programmodulen durch Funktionszuordnungen

Der Kern der Spezifikation der einzelnen Leitsystem-Softwaremodule entwickelte sich aus der Zuordnung von Funktionen (Aktivitäten) der ereignisgesteuerten Prozessketten zu den im Anwendungssystemtypdiagramm strukturierten Programmmodulen.

Ergänzung und Abrundung der Spezifikation

Die beschriebenen Modelle stellten abschließend einen großen Teil der Spezifikation des Prozessleitsystems dar. Die Spezifikation wurde ergänzend noch um technische Systemdaten, sowie um anlagenübergreifend gültige Regeln zur Betriebsartenhantierung (Hand/Automatik), zum Systemanlauf und Shut-down sowie zum Verhalten im Störungsfall ergänzt.

Modellabrundung während der Implementierung

Implementierungsbegleitend wurden die Modelle noch verfeinert und verbessert. Die Daten der Entity Relationship Modelle wurden in ein Case-Tool übertragen, dort verfeinert und daraus letztendlich die ORACLE Datenbanken erzeugt.

 

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